Anfahrt: Das Atelier befindet sich auf einem Außengehöft ca 700 m vom Dorf entfernt. Bitte folgen sie in Dobbin ab dem Schilderbaum den gelben Hinweisschildern und fahren sie langsam.
Dieses Bilderbuch in ukrainischer Sprache handelt von einer ganz normalen Mutter. Hätte sie an Silvester, einem Tag, an dem Wunder geschehen können, nicht geschlafen, hätte sie Königin werden können. Es handelt auch von einem ganz normalen Mädchen, das von der Liebe zu ihr, zu ihrem Bruder in Mamas Bauch und allem, was dazugehört, erzählt.
Das Buch stammt aus dem Programm des Krokus Verlages Charkiw und erscheint hier unter der Patenschaft des Moritz Verlages, Frankfurt/ Main. Alle Erlöse aus dem Verkauf gehen an den Krokus Verlag und die Urheber:innen.
Hardcover in Fadenheftung
40 Seiten
Ab 4 Jahren
ISBN-10: 389565972X
ISBN-13: 9783895659720
Erscheinungsdatum: ca 30.05.2022
14.00 €
Adopt an Ukrainian Children’s Book
heißt die Initiative von Markus Weber, Verleger des Moritz Verlages. Geflüchtete ukrainische Kinder brauchen die für sie geschriebene Literatur, ukrainische Verlage und ihre Künstler:innen benötigen dringend Einnahmen. Diese Hilfsaktion ist deshalb so sinnvoll, weil sie beides ermöglicht.
Europäische Kinderbuchverlage adoptieren ein ukrainisches Kinderbuch, bringen es auf eigene Kosten heraus, und sobald diese gedeckt sind, gehen alle Gewinne an den Verlag in der Ukraine.
„Najmoisha Mama“ ist das erste adoptierte Buch, und da die Druckerei die Herstellung spendete, ist die Hilfe noch umfassender. Das Buch wird ebenfalls auf dem französischen Markt erscheinen. Der Kinder- und Jugendbuchverlag l’école des loisirs aus Paris beteiligt sich an der Hilfsaktion, übernimmt einen Teil der Bücher und möchte selbst ein weiteres Kinderbuch aus der Ukraine adoptieren.
Veranstaltungen zum Buch
Für Lesungen und Veranstaltungen zum Buch steht eine der beiden Verlegerinnen des Krokus Verlages, Anna Tyurina, zur Verfügung. Anna ist nach Hessen geflüchtet und freut sich über Anfragen. Bitte nutzen Sie dazu meine Mailadresse, ich leite Ihr Anliegen gern weiter.
Seit Kriegsbeginn halte ich Kontakt zu drei ukrainischen Frauen, die in Charkiv den Kinderbuchverlag „Krokus“ führen. Der Verlag veröffentlicht seit 2019 ukrainische und europäische Kinderliteratur. Für Anna, Nargis und Irina schreibe ich auf, was sie durchleben.
Die Chronik entstand ursprünglich auf meiner instagram Seite kristina.andres.malerin und hat nach wie vor dort ihren Platz.
11. Juni
Liebe Mitleser:innen,
es gab eine kleine Pause zwischen meinen Berichten, was aber keineswegs heißt, dass der Kontakt zu Irina, Nargis und Anna unterbrochen ist. Wir schreiben einander nach wie vor nahezu täglich.
Irina hat die vielen Bücher aus dem Café ihrer Freunde heraus und nach Pivdenne geschafft. Sie lagern nun in ihrem Elternhaus, dort ist Platz. Bis Mitte Juni hofft sie, es noch einmal nach Charkiw zu schaffen und den Rest der Lagerbestände zu holen. Es gibt weiterhin Buchbestellungen, zum Teil größere, auch aus dem Ausland: Schweden zum Beispiel. Alles wird ein wenig normaler, schrieb Irina vor einigen Tagen.
Doch niemand ist sicher in der Ukraine. Russlands Raketen fliegen überallhin, und auch immer noch nach Charkiw. Ein hoher Preis für die Befreiung, so Nargis, und der Grund, warum sie die Rückkehr bisher nicht wagt. Sie würden zudem erst anfangen, herauszufinden, wen und was sie alles verloren hätten, schreibt sie mir.
Es ist schwer in einem fremden Land, so weit fort von allen und allem: Anna wird das Gefühl nicht los, auf einer ewig langen Reise zu sein, und keiner kann die Frage beantworten, wann es endlich zurückgeht. Zuhause in der Ukraine wartet ein Garten, mit Apfelbäumen, einem jungen Kirschbaum, Beeten für Blumen und Tomaten. Hier, in der hessischen Kleinstadt, müssen es ein paar Töpfe auf dem Balkon tun. Die Tomatensaat hat Anna zwar mitgenommen, doch blieb sie in ihren Tüten. Dem zwölfjährigen Fedia gehört zuhause ein Bienenvolk, nun steht es in besetztem Gebiet. Niemand weiß, wie es den Bienen geht. Ihr Wohnhaus ist heil, so viel konnten sie herausfinden, aber es gibt keinen Strom. Und in Poltawa harrt der kleine Hamster aus, den sie auf der Flucht bei Landsleuten zurücklassen mussten, weil es damals zu kalt für ihn war.
„Najmoisha Mama“, das bei uns nur das „Mama-Buch“ heißt und hier unter der Patenschaft des Moritz Verlages erscheint, ist im Buchhandel erhältlich. Hier der Link zum Bestellen:
In wenigen Tagen findet ihr dann auf der Webseite des Moritz Verlages auch eine deutsche Textfassung. Und ich freue mich schon darauf, euch vom zweiten Buch zu erzählen, das bald erscheinen wird.
Allen Gästen, die zu Pfingsten bei mir zu KunstOffen im Atelier waren und meinen kleinen Vorrat an „Najmoisha Mama“ Büchern weggekauft haben, danke ich sehr. Einige von euch ließen ihr Buch bei mir, damit ich es weitergebe. Ich habe wie versprochen mit der Grundschule im Nachbarort Kontakt aufgenommen und schenke eure Bücher nächste Woche den geflüchteten Kindern aus der Ukraine, die dort unterrichtet werden. Und weil ihr zum Teil so großzügig bezahlt habt, reicht das Geld für noch ein paar mehr Bücher.
16. Mai 2022
Liebe Mitleser:innen,
für diejenigen von euch, die neu dabei sind: Wenn das Beitragsfoto eine gelbblaue Flagge zeigt, berichte ich von Irina, Anna und Nargis, drei ukrainischen Frauen, die in Charkiw den Kinderbuchverlag Krokus führen und die der Krieg voneinander getrennt hat. Irina ist in Pivdenne nahe Charkiw geblieben, Nargis in die Westukraine geflohen. Anna ist auf ihrer Flucht mit Kindern und Großmüttern quer durch Europa gefahren und nun in Hessen. Anna und Nargis sind 1400 km voneinander entfernt, die gleiche Strecke liegt zwischen Nargis und Irina.
Doch vergangene Woche fuhr Irina mit ihrem Sohn in die Westukraine, um die Familie wieder zusammenzuholen. Ihre Schwiegertochter Dasha und das Enkelkind Elya hatten sich dorthin in Sicherheit gebracht. Zwei Tage brauchten sie für eine Richtung. Irina ließ es sich nicht nehmen, bei Nargis und Lilya zu halten, um sie zu umarmen, es war das erste Wiedersehen seit dem 24. Februar. Nach dem 9. Mai ging es zurück. Wieder zwei Tage Autofahrt, wegen der Blockaden und Sperren auf den Straßen dauere es jetzt noch länger als sonst, schreibt Irina. Aber nun sind sie glücklich, die Familie ist wieder beieinander.
„Najmoisha Mama“, das Kinderbuch aus dem Krokus Verlag, erscheint Ende Mai in Deutschland unter der Patenschaft des Moritz Verlages. Die Aussicht darauf und der Umstand, dass Irina viele Bücher aus dem Lager in Charkiw herausschaffen konnte, geben allen Zuversicht.
Vor einigen Tagen schrieb Anna noch, die Welt würde sich einfach weiterdrehen und sie stünde daneben, mit dem Gefühl, nichts tun zu können. Nun geht es besser. Sie hat Kontakt zu Landsleuten, die in Hessen leben, gemeinsam überlegen sie, wie Veranstaltungen zum Buch aussehen könnten. Anna sehnt sich nach ihrem alten Leben, nach der Arbeit mit Büchern. Und nun kann sie ein wenig daran anknüpfen.
4. Mai 2022
Liebe Mitleser:innen,
Irina hat es geschafft: Zweimal ist sie nach Charkiw ins Lager gefahren und hat Bücher herausgeholt. Nicht alle, das war unmöglich, aber im Café von Freunden, das als Zwischenlager dient, wachsen Büchertürme. Nächste Woche soll es noch einmal losgehen. Nun können sogar Bestellungen abgearbeitet werden, die in den letzten Tagen aus In- und Ausland hereingekommen sind. Irina ist froh, Bücher zu sortieren tue so gut in all dem Irrsinn. Zwischendurch will sie in den Garten, Zwiebeln stecken, Kräuter aussäen.
Eine sehr große Angst von Anna ist, dass das Land annektiert wird. Wenn Charkiw falle, sei alles verloren, schreibt sie. Ich schicke ihr, was Irina dazu sagt: ‚Niemand wird ihnen Charkiw geben‘. Für einen Freund, der nun zur Armee geht, besorgt Anna Schutzkleidung: Helm, Weste, Knieschoner. Ehemalige Bundeswehrsoldaten verkaufen ihre Ausrüstung über eBay. Nie hätte sie sich vorstellen können, einmal froh zu sein, solch ein Paket zu versenden.
‚Mir fehlen die Worte dafür, wie sehr ich diesen Krieg hasse‘, schreibt Nargis. Jeden Tag die Nachrichten. Sie sind nicht daheim, essen stets das Gleiche, weil niemand Lust hat zu kochen, tragen tagein, tagaus dieselbe Kleidung. Lilya lacht sich schlapp über irgendwelche Lukaschenko-Videos auf TikTok. ‚Unsere Kinder‘, so Nargis, ‚gewöhnen sich an eine furchtbare Sprache. Selbst wenn er mit keinem Wort erwähnt wird, ist der Krieg überall, er steckt in allem!‘ Irina hat in Charkiw während der Bücherrettung einen Umweg über ihre Straße gemacht – die Fenster in Nargis‘ und Lilyas Zuhause sind noch heil.
26. April 2022
Liebe Mitleser:innen,
Lilya hat in der Westukraine, wohin sie zu Kriegsbeginn mit den Eltern geflohen ist, niemanden in ihrem Alter, mit dem sie Zeit verbringen könnte. Aber sie hält engen Kontakt zu ihrer Freundin Polina, die auf dem Land nahe Charkiv bei der Großmutter untergebracht ist, und sie besprechen alles, was Zwölfjährige zu besprechen haben. „Ansonsten muss sie sich mit ihren Eltern begnügen“, meint Nargis, und das sei nicht immer ganz einfach. Aber der Schulunterricht ist inzwischen viel besser organisiert, Lilya erhält nicht nur Stunden in Haupt-, sondern auch anderen Fächern.
„Wir alle warten darauf, dass das Blatt sich wendet, hoffentlich bald“, schreibt Nargis. Sie sei nicht kirchlich, doch glaube sie fest an den Sieg des Guten über das Böse, des Lebens über den Tod.
Annas Jungen haben sich (in der hessischen Kleinstadt) mit den Nachbarssöhnen angefreundet. In einem Video fahren sie Gokart, hügelab, mit viel zu großen Sturzhelmen auf ihren Köpfen. Wenig später schickt Anna noch einen Film. Er zeigt einen Raketeneinschlag im größten Versorgungszentrum der Ukraine. Es steht gerade zwei Jahre, die Firma von Annas Mann Anton hatte es gebaut.
Vergangenen Donnerstag, frühmorgens, rührte Irina in Pivdenne den Teig für ihre Osterkuchen an. Einer davon ging auf Reisen in die Westukraine. Es ist das erste Mal seit Jahren, dass Lilya und Nargis nicht Ostern zu ihr kommen. Sonntagmorgen schickte sie mir ein langes Dankgebet, Worte voller Mut und Zuversicht.
Am Nachmittag dann die nächste Nachricht: Ein enger Freund Irinas ist gefallen, 49 wäre er dieser Tage geworden. Er hatte sich zu Kriegsbeginn freiwillig gemeldet. Seine Frau und sein Sohn kehren nun aus der Slowakei, wohin sie sich in Sicherheit gebracht hatten, zurück.
16.04. 2022
Liebe Mitleser:innen,
der Zug, mit dem Irina, ihre Schwiegertochter Dasha und das kleine Enkelkind Elya nach Transkarpatien wollten, fuhr nicht. Ein Onkel half, nur eine halbe Stunde später lud er Dasha, Dashas Mutter und Elya in sein Auto und machte sich mit ihnen auf den Weg, einmal quer durch die Ukraine. Irina musste zurückbleiben. ‚Das ist der schlimmste Tag seit Kriegsbeginn‘, schrieb sie mir. Es folgten zwei Tage und Nächte voller Sorgen, dann erreichte uns die erlösende Nachricht. Sie hatten es geschafft. Indessen nimmt der Geschützlärm um Charkiv herum ständig zu. Aber Irina will in Pivdenne bleiben, hofft immer noch auf eine Gelegenheit, die Bücher aus dem Lager zu holen.
Annas Söhne lernen deutsch. Sie mag den jungen Lehrer, der die erste Klasse unterrichtet. Er sei so bemüht um die Kinder und würde die Nachrichten für die Eltern auf Ukrainisch verfassen – per google translator. Dass er so aufmerksam ist, macht sie froh. Bei all dem Kraftakt, den das Einleben im Zwischenraum bedeutet: Ein wenig Verlagsarbeit geht. Anna steht auch für Interviews zur Verfügung.
Lilya erledigt ordentlich ihre Schulaufgaben, soll ich euch sagen. Neulich war es laut Nargis irgendetwas Furchterregendes mit Tabellen und Diagrammen.
Es wird viel hin und her gemailt. Vom Moritz Verlag zum Krokus Verlag und zurück. Vor drei Tagen erteilte Nargis die Druckfreigabe für „Najmoisha Mama“, bei uns kurz das „Mama-Buch“ genannt. Es erscheint unter der Patenschaft des Moritz Verlages am 25. Mai.
Und noch etwas beginnt: Eine Reihe von online-Lesungen ukrainischer Kinderbuchautor:innen soll aufgebaut werden. Nargis hat für uns erste Kontakte geknüpft. Die Organisation des Projektes, Vermittlung, Verleih der Werke und Vergütung der Künstler:innen hat Juliane Foth, die das Kinderprogramm des Literaturhauses Rostock leitet und die auch den Anstoß zu der geplanten Reihe gab, bereits übernommen.
Gestern schrieb Nargis, vor ein paar Wochen noch sei sie überzeugt gewesen, es wäre für Jahre vorbei mit dem Verlag. Nun sähe sie ein wenig Licht.
Zwei Links: Der erste führt zum Podcast „Kunstkaten“ vom NDR1 Radio MV, dort spreche ich mit Heike Mayer über das Ganze hier.
die Bücherrettung in Charkiv muss warten. Irina begleitet ihre Schwiegertochter und das kleine Enkelkind nach Transkarpatien, ans westliche Ende der Ukraine. Nach Butscha ist alles anders. Die beiden sollen in Sicherheit gebracht werden. Heute um 13.00 Uhr fuhr der Zug aus Charkiv ab. Ich kehre danach gleich zurück, schreibt Irina, sie brauchen mich in der Flüchtlingshilfe. Nargis hat vor fünf Wochen für dieselbe Strecke 3 Tage gebraucht.
Mit Anna habe ich zum ersten Mal telefoniert, seit sie in Deutschland ist. Am schlimmsten sind für sie die Lügen, die Russland verbreitet, das Leugnen. Wir wollen die Nachrichten gar nicht sehen, sagt sie, aber wir können ja nicht ohne. Jemand hat sie und ihre Kinder auf der Straße angesprochen, meinte, Putin wäre ein toller Typ, und wie der jetzt aufräumen würde mit den Nazis in der Ukraine, die ihre eigenen Leute umbrächten. Sie hat ihn stehengelassen.
Nargis schreibt, die Zeit in der Sowjetunion habe ihnen Kindheit und Jugend genommen, und nun nehme Russland ihren Kindern die Kindheit und wer weiß, was noch. Aber die Verlagsarbeit geht weiter. „Najmoisha Mama“, mit einem Text von Halyna Kyrpa und Bildern von Hrasia Oliyko wird, so hoffen wir, Ende Mai erscheinen, und zwar unter der Schirmherrschaft des Moritz Verlages Frankfurt/ Main. Verleger Markus Weber hat hier von Anfang an mitgelesen, den Faden aufgenommen und mit viel Mut und Engagement dieses kleine Wunder so schnell möglich gemacht. Lieber Markus, ihr Lieben im Moritz Verlag, ihr seid großartig! Und großartig ist auch die Druckerei, welche die Bücher umsonst drucken wird. Somit können die Einnahmen aus dem Verkauf nahezu gänzlich dem Krokusverlag und seinen Künstler:innen zugutekommen. Dies hier soll aber nur der Anfang einer europa- und weltweiten Hilfsaktion von Kinderbuchverlagen sein, die Markus Weber ins Leben gerufen hat. Davon möchte ich gern ein anderes Mal erzählen.
3. April 2022
Liebe Mitleser:innen,
heute kann ich wieder ein wenig berichten.
Südlich von Charkiv, in Pivdenne, engagiert sich Irina täglich in der Flüchtlingshilfe. Die Menschen organisieren sich, kümmern sich darum, dass die Versorgung funktioniert. Seit dem 14. März gehen alle Kinder, die ins Dorf gekommen sind, ins örtliche Schulhaus und erhalten dort Fernunterricht – aus ihren alten Schulen. Die vergangenen Tage und Nächte waren etwas ruhiger. Es gab weniger Geschützlärm. Wer von Anfang an mitgelesen hat, weiß, dass Irina auch geblieben ist, um die Bücher zu retten. Nun steht der Plan. Das Stadtviertel in Charkiv, in dem sich Verlag und Lager befinden, wurde bisher von Angriffen verschont. Und es gibt einen mutigen Menschen, der das Tor für Irina und ihren Mann aufschließen wird. Morgen soll die Rettungsaktion starten.
Anna ist angekommen im Zwischenzuhause. Sie schickt Fotos aus einer hessischen Stadt. Die Kinder sind in ihren Schulen angemeldet, und die ersten beiden Schultage liegen hinter ihnen. Jetzt sind wir hier, schreibt Anna, für einige Zeit.
Nargis´ Familie ist beisammen, gestern kam sogar der Sohn zu Besuch – dies war ein guter Tag, schreibt sie. Wir mailen täglich. Lilya hat keine Lust auf Mathe und Informatik, dabei ist sie darin richtig gut, aber Schule ohne Schule wird eben schnell öde. Nargis koordiniert die Verlagsarbeit von ihrer Notunterkunft in der Westukraine aus. Das geht, solange das Netz stabil bleibt. Bei allem, was schlimm ist: Es gibt Raum zu handeln. Hilfe kommt – zum Beispiel vom House Of Europe und auch aus Deutschland: Eines der schönen ukrainischen Krokusbücher soll hier erscheinen, bald schon – und wenn es so weit ist, müsst ihr kaufen, was das Zeug hält! Ich hoffe, demnächst konkreter berichten zu können.
26. März 2022
Liebe Mitleser:innen.
Jeden Morgen kommt eine Whatsapp-Nachricht von Irina aus der Nähe von Charkiv: Wir sind ok. Was nur heißt, niemand verletzt, Haus heil. Als wir neulich schrieben, musste Irina unterbrechen, weil es eine Explosion gab. Keine Bombe, meldete sie Minuten später, unsere Abwehr hat etwas vom Himmel geholt. Was es auch war, fiel als Feuerball zwischen die Dörfer. Mal ist es ruhig, mal raubt ihnen der Geschützlärm Schlaf und Nerven, noch haben sie Strom, sie können heizen, einkaufen – aber es gibt nur das Nötigste. 2000 Menschen haben sich in das Dorf gerettet, auf jedes Haus kommen nun zusätzlich zehn Leute. Irina sortiert Sachen für die Geflüchteten. Der Frühling ist da, und an einem stillen Tag können sie sogar bis zum Teich gehen. Irina träumt von Gartenarbeit, kleinen, normalen Dingen.
Anna hat das Auto erneut gepackt und gestern Morgen Barcelona verlassen. Ich bekomme wieder Kartenpins von unterwegs. Alle Pläne geändert, das neue Basislager wird in Deutschland sein.
Auch in den Karpaten wird es Frühling. Nargis schickt Fotos von Krokussen und von Lilya vor einem wilden Bachlauf. Die ersten Fotos von Lilya sah ich vor fast vier Wochen. Auf einem schlief sie zum Schutz vor den Bomben in der Badewanne, auf dem nächsten saß sie im Zug, zusammen mit anderen Flüchtenden – das war jenes Foto, mit dem unsere Tierbilder begannen. Nun sehe ich ein Mädchen, das gefasst in die Kamera lächelt und viel weniger Kind ist als zuvor.
2019 gründeten Nargis und Anna den kleinen, unabhängigen Krokusverlag, beide nach langer Berufserfahrung im Verlagswesen. Sie steckten ihr Geld dahinein, um endlich die Bücher zu machen, die ihnen am Herzen lagen. Erst kam Corona, nun der Krieg.
Wir suchen weiterhin nach einer guten Lösung für die Bücher …
19. März 2022
Liebe Mitleser:innen,
wir beschaffen Buchdateien, sichten und sichern, fragen Übersetzungen an, bevor irgendetwas passiert, was das unmöglich machen könnte. Nargis auf der ukrainischen Seite, wir hier.
Wir haben jetzt einige Geschichten, sie sind wirklich schön, und Olya, die Übersetzerin, die wir über das Ukrainische Buchinstitut angefragt haben, hat sich trotz dieser schlimmen Zeiten ans Übertragen gemacht. Damit wir hier wissen, was genau in den Büchern geschrieben steht. Irgendwie ist es ein Wunder, dass das noch geht: Mailen, Bilder senden – wir können sogar miteinander lachen …
Anna und ich schreiben hin und her, immer kurze Zeilen per Whatsapp. Es geht gut, schreibt sie, alles ok.
Für Irina ist es schwer. Wer gestern nach der Tagesschau den Bericht über Charkiv gesehen hat, kann sich ein wenig vorstellen, wie es ist, wenn Irina schreibt: Today was a loud day. Sie harren südlich der Stadt aus. Zwar ist die Front nicht näher gekommen, doch vor drei Tagen gab es einen Raketenangriff auf den Nachbarort. Ziel war eine Kaserne, 21 Menschen starben. Irinas Sohn ist Techniker, er war draußen, um den Funkmast danach wieder instand zu setzen. Der Krater sei so groß, dass zwei Gebäude einfach darin verschwunden wären. Die Nerven liegen blank, bei allen im Haus. Sollte sich abzeichnen, dass der Ort besetzt wird, wollen sie fliehen.
Da sind drei Frauen, die vor vier Wochen noch zusammen im Verlagshaus saßen, sich auf die Buchmesse in Bologna freuten – auf das allererste Mal Bologna, wenn ich das richtig verstanden habe – und auf ihre Frühjahrstitel. Jetzt sind sie auseinandergerissen, mehr als tausend Kilometer voneinander entfernt und niemand weiß, wie das hier ausgehen wird.
15. März 2022
Liebe Mitleser:innen,
wie ist es den drei Frauen des kleinen Kinderbuchverlages in Charkiv seit Freitag ergangen? Ich fasse es einmal für euch zusammen.
Nach wie vor stehen wir täglich mehrmals in Kontakt, etwas ausführlicher schreiben können wir dann jeweils gegen Abend. Selbst im Krieg stellt sich Routine ein.
Irina ist nun den ganzen Tag auf den Beinen, sortiert Sachen für die Flüchtlingshilfe, versorgt die beiden alten Onkel, die ebenfalls im Dorf leben. Mann und Sohn sind noch da, bisher gab es keinen Einberufungsbescheid für sie. Die Frauen backen Teigtaschen, die von Freiwilligen eingesammelt und an die Front gebracht werden. Es hilft, die Furcht im Zaum zu halten, schreibt Irina. Sie schreibt auch, dass draußen die Spatzen in den Büschen lärmen und davon, wie sehr sie sich alle nach Frühling sehnen.
Anna hat ihre Familie sicher bis Barcelona gefahren. Sie sind jetzt beim Bruder, haben auch eine eigene kleine Wohnung, in der sie erst einmal bleiben können. Von unterwegs schickte mir Anna Pins aufs Handy, damit ich in der Karte nachschauen konnte, wo sie sich gerade befanden. Cluj, Budapest, Venedig, Menton, Barcelona. Sicher gelandet. Und nichts ist gut.
Nargis und Lilya verstecken sich auf der ukrainischen Seite in den Karpaten. Um ein paar Einkäufe zu erledigen, müssen sie viele Kilometer zu Fuß zurücklegen. Sie kämpfen gegen die Angst, sie soll ihnen nicht den Tag diktieren. Nargis versucht ein wenig Verlagsarbeit. Vor einigen Tagen habe ich sie gefragt, ob wir nicht ukrainische Geschichten haben dürfen, für die Kinder, die hier in Deutschland ankommen. Inzwischen gibt es schon offizielle Anfragen aus Litauen und Polen. Die Grafikerin war so geistesgegenwärtig, ihren Rechner aus der Stadt zu schaffen, und baut jetzt die Dateien. Sobald die fertig sind, schickt Nargis sie auch an mich. Ihr lieben Mitleser aus den Verlagen, aus den Institutionen, vielleicht könnt ihr dann helfen, dass wir eine gute Lösung finden, damit die Geschichten zu den Kindern kommen und das Heimweh erträglicher machen.
12. März 2022
Liebe Mitleser:innen,
die Freitagsblumen sind auf dem zweiten Bild, und Stand Freitag ist auch, was ich von den drei Frauen, die für den Charkiver Kinderbuchverlag Krokus arbeiten, erzählen kann.
Irina, die in Pivdenne südlich von Charkiv wohnt, hat große Angst. Weniger um sich, als um Dasha, die Schwiegertochter und Elina, ihr 14 Monate altes Enkelkind, die aus Charkiv zu ihr geflohen sind. Den ganzen Tag hören sie die russischen Angriffe auf die Stadt und das Abwehrfeuer der ukrainischen Armee. Noch scheint die Front weit genug entfernt. Und an Flucht ist nun ohnehin kaum zu denken, zu unsicher sind die Wege geworden. Außerdem liegt Schnee, es ist eisig. Immerhin hat das Haus einen Keller …
Anna hat es bis nach Ungarn geschafft. So schön seien die Orte, die sie sieht, schreibt sie, so wundervoll die Landschaften, die sie durchfahren – wäre da nur nicht der Grund für diese verrückte Reise.
Nargis und Lilya sind sicher in Yaremche. Hoffentlich sicher, immerhin liegt der Ort grenznah im Westen, eine halbe Stunde Fahrtzeit wäre es bis dort hin, mehr nicht. Nun wollen sie da bleiben, so lange es geht. Nargis schickt ein Foto von Lilya. Ein lächelndes Kind an einer winterlichen Straße, hinter ihr die verschneiten Karpaten. Hoffentlich muss sie nie wieder in einer Badewanne nächtigen.
9. März 2022
Liebe Mitleser:innen, heute kann ich wieder ein wenig schreiben. Für diejenigen, die neu hier sind: Seit Kriegsbeginn halte ich Kontakt zu den drei Frauen des Charkiver Krokusverlages, der seit 2019 ukrainische und europäische Kinderliteratur veröffentlicht.
Jeden Morgen 7.30 Uhr schickt mir Irina, die in Pivdenne nahe Charkiv ausharrt, ein Foto ihres Gartens. Es liegt Schnee, bestimmt ein halber Meter, und heute früh schneite es frisch. Gestern, in der Feuerpause, haben sie zum ersten Mal seit Tagen ihre Freunde getroffen und umarmen können. Irina schreibt, sie genieße jeden stillen Augenblick, als sei es der letzte.
Die Bücher lagern in Charkiv, da ist kein Rankommen. Aber sobald sich doch eine Gelegenheit ergibt, will Irina sie retten und auch alles, was sie im Büro gelassen hat. Die Druckdaten sind vermutlich gesichert.
Anna ist jetzt in Rumänien. Als sie gestern über die Grenze fuhren, gab es Dahlien, einen Riesenstrauß. Anna schrieb, sie fühle sich, als wäre sie auf einer verrückten Reise, inmitten einer Reality Show, in der es ums Überleben geht.
Nargis und Lily sind heute endlich in Lemberg an- und bei Verlagsfreunden untergekommen. Jetzt überlegen sie, wie es weitergehen kann.
All fine and safe. Das ist immer die wichtigste Nachricht.
Gott möge Putin zum Teufel schicken, einer muss es ja tun.
6. März 2022
Ihr lieben Mitleser:innen,
hier kommt das Tagesupdate. Seit Kriegsbeginn halte ich Kontakt zu drei Frauen vom Charkiver Krokusverlag.
Irina schrieb mir gerade, dass sie es doch nicht über sich gebracht hat, das Dorf, in dem sie aufwuchs, zu verlassen. Sie ist noch oder wieder daheim. Sie schreibt, es ist seit Stunden still, als wäre kein Krieg, nur Hundegebell irgendwo. Auf dem Foto, das sie schickt, sehe ich einen sternenüberfunkelten Himmel, davor alte Obstbäume. Ganz wie bei mir zuhause.
Anna ist kurz vor der moldawischen Grenze. Von dort wollen sie weiter Richtung Westen.
Auch Nargis versucht, mit ihrer Tochter gen Westen weiterzukommen.
Es könnte sein, dass wir eure Hilfe brauchen, damit die Kollegen nicht quer durch Europa irren. Ich halte euch auf dem Laufenden. Die von Euch, die mich kennen und helfen möchten: mailt bitte.
5. März 2022
Keine Fotos. Zum Teil gleichen sie sich mit denen aus den Nachrichten oder sind so privat, dass ich sie nicht teilen will. Alle drei Frauen vom Krokusverlag Charkiv sind mit Kindern, Müttern, Schwiegermüttern auf der Flucht Richtung Westen des Landes. Ein Hamster musste bei anderen Leuten zurückgelassen werden, es ist unterwegs zu kalt für das kleine Tier. Alle schlafen, wo sie für die Nacht unterkommen. Die Menschen helfen einander, stellen Betten und Wohnraum zur Verfügung. Alle haben mir geschrieben, dass sie gestern zum ersten Mal seit Kriegsbeginn schlafen konnten. Auch die Kinder.
3. März 2022
Seit Putins Überfall halte ich den Kontakt zu den drei Frauen, die in Charkiv das Kinderbuchprogramm des Verlages Krokus machen. Der Verlag veröffentlicht seit 2019 ukrainische und europäische Kinderliteratur. Heute erzähle ich für Anna weiter, die keine Fotos oder Filme geschickt hat, zu schlecht war die Verbindung, es reichte nur für kurze Sätze via Whatsapp. Anna hat mit ihren Kindern und den übrigen Hausbewohnern die Stadt verlassen, ist irgendwo im Umland und hoffentlich sicher, soweit dies möglich ist. Nargis und ihre Tochter brechen morgen auf. Irina wohnt in einem der Vororte und ist noch zuhause. Betet für uns, schrieb sie. Also lasst uns das tun.
24. Februar 2022
Meine Geschichten werden auch in der Ukraine verlegt. Beide Verlage befinden sich in Charkiv. Ich hoffe, ihr seid unversehrt. Bücher machen heisst, Geschichten miteinander zu teilen. Es ist mir stets wie ein kleines Wunder, wenn eines meiner Werke in einer fremden Sprache erscheint. Ein Geschenk. Ein Friedensgruss.
Diese Bilder sind für ukrainische Kinder, die vor dem Krieg flüchten müssen. Sie wünschen sich ein Tier, ich zeichne und stelle es mit einem kurzen Text online, zunächst auf instagram (kristina.andres.malerin), dann hier. Wenn Sie mir einen Tierwunsch für ein Kind übermitteln möchten, nutzen Sie bitte meine Mailadresse. Sobald die Kinder in Frieden leben, ein sicheres Zuhause in ihrem Heimatland haben, schicke ich ihnen die Originale per Post.
In diesem NDR Beitrag spreche ich mit Heike Mayer darüber:
Die Tage sind kurz geworden, die Nächte lang und kalt. Die Bäume haben das Laub abgeworfen. Vom Himmel schweben Flocken wie Daunenfedern herab. Es ist der erste Schnee für die Maus und sie kann nicht aufhören zu staunen … so nimmt das neue Abenteuer seinen Lauf, denn die Maus will alles wissen, auch, was es mit den Bergen in der Ferne auf sich hat.
ISBN: 978-3-7074-5244-0 Seitenanzahl: 48 Ab 3 Jahren
14, 95 €
erschienen in der Edition Nilpferd im G&G Verlag
„Vielleicht seh ich ihn gleich, den Weihnachtsmann!“, raunte Maus Tante Kuh zu. „Er darf in meinem Schubladen-Bettchen schlafen!“
„Passt er denn da hinein?“, wunderte sich Tante Kuh. „Du weißt doch, wie der Weihnachtsmann aussieht!“
Maus wusste es: „Er ist mauseklein und hat große Ohren, denn er muss ja gut hören können. Und ein Schwänzchen hat er auch! Und einen roten Mantel natürlich! Und ganz viel Bart!“
„Das mit dem Bart stimmt. Aber er ist ungefähr kuhgroß und hat normale wuschelige Ohren und zwei Hörner – so wie ich!“, behauptete Tante Kuh.
„Ach was, er ist riesenbärengroß und zottig und braun und hat breite Füße!“, mischte Bär sich ein. „Das weiß doch jeder!“